Wie kann kooperatives Zusammenwirken in Kontexten des kommunalen Sozialstaates gelingen? Und welche Faktoren können das Zusammenwirken erschweren? Diese Fragen standen im Vordergrund dieser Untersuchung.
Dazu wurden in sechs ausgewählten Kommunen und zwei Handlungsfeldern, der (offenen) Kinder- und Jugendarbeit und der (offenen) Altenhilfe, öffentliche und gemeinnützige Träger qualitativ befragt. Untersucht wurde die Zufriedenheit mit und die Bewertung von Kooperationsbeziehungen aus Sicht der Akteure. Welchen Beitrag formelle und informelle Abstimmungsstrukturen, also etwa ein Jugendhilfeausschuss einerseits oder offene Netzwerke andererseits, für ein synergetisches Zusammenwirken leisten und ob den Kooperationen gemeinsam geteilte Rollen- und Governance-Verständnisse zu Grunde liegen. Aber auch, wie sich ökonomische Aspekte und Praxen der Vergabe von Aufträgen und Zuwendungen in eher machtförmigen oder als egalitär wahrgenommenen Kooperationsmustern niederschlagen. Die Frage der Macht spielt gerade vor dem Hintergrund des Umbaus des Sozialstaates von einem korporatistischen zu einem stärker wettbewerblich geprägten System eine besondere Rolle.
Die Fallstudien kommen zu sehr unterschiedlichen Befunden. Einerseits ergeben sich zwischen den beiden ausgewählten Politikfeldern klare Unterschiede. Der Bereich der Jugendhilfe ist durch eine stärkere rechtliche Regulierung des Kooperierens, insbesondere den Jugendhilfeausschuss und die damit verbürgte Einbindung freier Träger in Verwaltungsentscheidungen, sowie durch die Tatsache, dass sie kommunale Pflichtaufgabe ist, charakterisiert. Die Dichte von Abstimmung und Vernetzung zwischen öffentlichen und freien Trägern, aber auch unter den freien Trägern selbst, ist daher deutlich höher als im Bereich der Altenhilfe.
Letztgenannter Bereich kennt solche regulierten Arrangements kooperativen Handelns nicht und ist, was die Ressourcen angeht, signifikant schlechter aufgestellt. In einer Kommune fanden im vorausgegangenen Zeitraum der Befragung erhebliche Mittelkürzungen statt, in einem Fall wurden die Zuwendungen gar eingestellt. Daher entstand ein Nebeneinander von öffentlichen und freien Trägern, das kaum mehr als Kooperation denn nur noch als Koexistenz bezeichnet werden kann. Aber auch innerhalb der Politikfelder zeichneten sich erhebliche Unterschiede ab.
Im Ergebnis weist die Studie vier Typen von Kooperationsmustern aus, zwei je Politikfeld, und verdichtet die Erkenntnisse in einem Modell, das die Logik kooperativen Handelns anhand dreier Ebenen pointiert. Danach bestehen komplexe Kooperationsarrangements auf einer normativen, einer fachlichen und einer ökonomischen Ebene. Die normative Ebene beschreibt, inwieweit auf Seiten des öffentlichen und der freien Träger ein gemeinsames Verständnis von zielführender Governance, also von arbeitsteiliger und fairer Steuerung und Leistungserbringung in einem Handlungsfeld als Arbeitsgrundlage besteht. Unter fachlicher Ebene sollen die konkreten Aushandlungsprozesse und Vernetzungszusammenhänge verstanden werden, in denen im Alltag neue Projekte entwickelt, Situationsdiagnosen formuliert, Aufträge vergeben oder auch abgeschlossene Verträge evaluiert werden. Die ökonomische Ebene beschreibt die vertraglichen, finanziell bedeutsamen Beziehungen zwischen den Akteuren, also die Auftrags- und Zuwendungsbeziehungen zwischen öffentlichen und freien Trägern.
Kooperationen gelingen, das ist die These der Untersuchung, wenn diese drei Ebenen für sich genommen ausreichend entwickelt und funktional aufeinander abgestimmt sind. So setzen als legitim wahrgenommene Entscheidungen auf der ökonomischen Ebene dichte Abstimmungsprozesse auf der fachlichen Ebene voraus. Anderenfalls entsteht trägerseitig die Wahrnehmung von Machtasymmetrien. Wenn hingegen keine geteilte normative Vorstellung einer guten Governance existiert, also zum Beispiel keine arbeitsteiligen Rollenmuster für beide Trägerseiten geklärt sind, können fachliche Abstimmungen kaum zielführend geleistet werden. Die Untersuchung schließt mit Empfehlungen, die an konkrete, in den Fallstudien vorgefundene Problemlagen anschlussfähig sind.
Magdalena Skurnog, Svenja Brink und Holger Krimmer:
Verwaltung und Zivilgesellschaft zwischen Kooperation und Koexistenz
Qualitative Studie der Geschäftsstelle ZiviZ im Stifterverband
Herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung
Berlin, April 2017
46 Seiten