Sportvereine unter Druck

Gesellschaftliche Integrationsanker mit Problemen bei der
Mobilisierung von Ehrenamtlichen

Sonderauswertung des ZiviZ-Surveys 2023

Sportvereine in Deutschland stehen weiterhin im Zentrum des gesellschaftlichen Zusammenlebens und fungieren als wichtiger Integrationsanker, insbesondere im ländlichen Raum. Zugleich fällt es Sportvereinen immer schwerer, Ehrenamtliche zu gewinnen. Dies sind zentrale Ergebnisse dieser im September 2024 veröffentlichten Studie, die auf einer Sonderauswertung des ZiviZ-Surveys 2023 basiert.

Sportvereine machen 22 Prozent aller zivilgesellschaftlicher Organisationen aus. In keinem anderen Feld – ob Bildung, Kultur oder Soziales – verorten sich mehr Organisationen in Deutschland. Und auch die Mitgliederstatistik des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zeigt, dass der Zuspruch und die Nachfrage nach Sportvereinsangeboten ungebrochen hoch ist. So meldet der organisierte Vereinssport im DOSB mit 27,8 Millionen Mitgliedschaften für das Jahr 2023 ein neues 10-Jahres hoch. Hier scheinen vor allen die Kampagnen und Maßnahmen für den Vereinssport nach der Corona-Zeit, ihre positive Wirkung zu entfalten.

Gegenläufig ist allerdings der Trend bei der Gesamtzahl der Sportvereine. Die Studie zeigt, dass der Anteil der Sportvereine an allen zivilgesellschaftlichen Organisationen seit 2012 von 25 auf 22 Prozent gesunken ist. Auch die Daten der DOSB-Bestandserhebung deuten im Längsschnitt auf einen leichten, kontinuierlichen Rückgang der eingetragenen Vereine von über 91.000 im Jahr 2011 auf unter 87.000&nsbp;&nsbp;­im Jahr 2023 hin. Gründe hierfür könnten Fusionen, die Bildung von Spielgemeinschaften und die Auflösung von kleineren Vereinen sein. Diese gegenläufige Entwicklung – mehr Vereinsmitgliedschaften im Sport, aber weniger Sportvereine insgesamt – gilt es in Zukunft noch stärker in den Blick zunehmen.

Die zunehmende Schwierigkeit, Ehrenamtliche zu mobilisieren, ist ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie. Im Vergleich zu anderen Engagementfeldern berichten Sportvereine besonders häufig von Problemen bei der Gewinnung von Freiwilligen. 27 Prozent der Vereine verzeichnen zwischen 2017 und 2022 einen Rückgang der Engagierten, während nur 17 Prozent von einem Anstieg berichten. Besonders herausfordernd ist die Gewinnung von Personen für dauerhafte Engagements und ehrenamtliche Leitungs- und Führungspositionen: Nur 13 Prozent der Vereine geben an, dass ihnen dies leichtfällt. Ähnliche Befunde sind aus den Ergebnissen der Sonderauswertung Sport des Freiwilligensurveys sowie der Sportentwicklungsberichte zu entnehmen.

Während sich viele zivilgesellschaftliche Organisationen zunehmend für Engagierte öffnen, die keine Mitglieder sind, verläuft dieser Prozess in Sportvereinen langsamer. 2022 arbeiteten 76 Prozent der Sportvereine ausschließlich mit Mitgliedern als Engagierten – ein Rückgang vergleichen mit 86 Prozent im Jahr 2012, jedoch langsamer als in anderen Bereichen wie den sozialen Diensten oder im Umweltschutz. Ein Grund dafür könnte die hohe Anforderung an Dauerhaftigkeit und Qualifikation für viele Engagementformen sein, etwa Trainerämter oder im Kampf- und Schiedsrichterwesen, die die Einbindung von Nicht-Mitgliedern erschweren. Interessanterweise zeigt die Studie auch, dass immer mehr „alternative“ Sportvereine entstehen, die sich bewusst vom klassischen Sportmodell abgrenzen. Diese neuen Vereine und Organisationsformen verfolgen häufig andere Ziele und Angebote, die weniger auf streng reglementierte Sportarten, Leistungssport oder die Teilnahme an von Verbänden organisierten Wettkämpfen ausgerichtet sind.

Die bestehenden und traditionellen Sportvereine müssen sich umso mehr die Frage stellen, wie sie ihre Rolle in einer sich wandelnden Gesellschaft zukünftig definieren: Was für ein Organisation wollen und können wir sein? Wo liegen unsere Ziele, Schwerpunkte und Inhalte? Welche Zielgruppen möchten wir ansprechen? Wie können wir uns aufstellen, dass die Engagierten den Aufgaben und der Erwartungshaltung der Mitglieder besser gerecht werden können?

Datengrundlage dieser Studie ist der ZiviZ-Survey 2023. Der ZiviZ-Survey ist eine seit 2012 in regelmäßigen Abständen durchgeführte repräsentative Befragung zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland. Der Survey erfasst zentrale Strukturmerkmale der Organisationen sowie neue Handlungsfelder, Herausforderungen und Bedarfe. Die Ergebnisse liefern der Zivilgesellschaft, der Politik sowie der Zivilgesellschafts- und Engagementforschung wichtiges Orientierungswissen.

Berücksichtigt werden im ZiviZ-Survey vier Organisationsformen, in denen Engagement vordergründig stattfindet: eingetragene Vereine, gemeinnützige Kapitalgesellschaften (gUGs, gGmbHs, gAGs), gemeinwohlorientierte Genossenschaften und rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Aus einer zusammengestellten Grundgesamtheit werden Organisationen zufällig ausgewählt und zur Teilnahme an einer Online-Befragung eingeladen. Teil der Grundgesamtheit in der jüngsten Erhebungswelle waren insgesamt 651.604 Organisationen, darunter 615.759 eingetragene Vereine, 14.540 gemeinnützige Kapitalgesellschaften, 1.939 gemeinwohlorientierte Genossenschaften und 19.366 Stiftungen bürgerlichen Rechts.

Am ZiviZ-Survey 2023 nahmen 12.792 Organisationen teil, darunter 10.708 Vereine, 671 gemeinnützige Kapitalgesellschaften, 209 Genossenschaften und 1.204 Stiftungen. Im Vorfeld der Analyse wurden die Daten nach Rechtsform und Vereine zusätzlich nach Bundesländern gewichtet.

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