Gefährdet politische Arbeit den Status der Gemeinnützigkeit?

Empirische Befunde, Rechtslage und Handlungsbedarfe

Policy Paper 7

Gefährdet politische Arbeit den Status der Gemeinnützigkeit? (Cover)
  • Fünf Prozent der gemeinnützigen Organisationen in Deutschland würden sich gerne stärker politisch einbringen, sehen dadurch aber ihren Gemeinnützigkeitsstatus gefährdet. Das zeigt der ZiviZ-Survey 2023.
     
  • Auch wenn Organisationen im Umweltschutz und der internationalen Solidarität besonders betroffen sind – Verunsicherung besteht in ganz unterschiedlichen Bereichen der Zivilgesellschaft.
     
  • Die Politik ist gefragt, im Rahmen der geplanten Reform des Gemeinnützigkeitsrechts Rechtssicherheit zu schaffen.
     
  • Um künftiger Verunsicherung vorzubeugen, sind neben der Politik auch Finanzämter, Einrichtungen der Engagementförderung und gemeinnützige Organisationen selbst in der Pflicht.

Vereine, Stiftungen und andere gemeinnützige Organisationen sind immer häufiger Akteure und Orte politischer Willensbildung. Die abnehmende Popularität von Parteimitgliedschaften hat dazu geführt, dass Bürgerinnen und Bürger immer häufiger Formen der politischen Partizipation im Rahmen ihrer Mitgliedschaft oder ihres Engagements in zivilgesellschaftlichen Organisationen ausleben. So rückt die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Organisationen für das Funktionieren einer modernen Demokratie verstärkt in den Fokus.

Jedoch gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Rechtsstreitigkeiten um die Frage, wie politisch Organisationen mit Gemeinnützigkeitsstatus agieren dürfen. Besonders prominent war in der medialen Berichterstattung der Fall der globalisierungskritischen Organisation Attac, deren Verfolgung allgemeinpolitischer Ziele jenseits der steuerbegünstigten Satzungszwecke erstmals im Jahr 2014 zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führte. In der Öffentlichkeit diskutiert wurden aber auch andere Fälle von Organisationen wie Campact, der Umwelthilfe oder jüngst der Antonio-Amadeu-Stiftung.

Diese prominenten Fälle verunsichern Vorstände und Geschäftsführungen in der Breite der Zivilgesellschaft: Inwiefern darf sich die eigene Organisation politisch betätigen? Schließlich kann eine Aberkennung des Gemeinnützigkeitsstatus durch das Finanzamt für Organisationen rückwirkend zu hohen Steuernachforderungen führen und künftige Steuerermäßigungen ausschließen.

In der politischen Diskussion um eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, wie sie im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigt wurde, wird daher auch darüber verhandelt, inwiefern es neue rechtliche Rahmenbedingungen braucht, die Organisationen in ihrer politischen Betätigung absichern. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion verfolgt dieses im August 2023 veröffentlichte Policy Paper die folgenden Ziele:

  • Bewertung der Datenlage: Auf Grundlage des ZiviZ-Survey 2023 wird untersucht, in welchem Ausmaß sich zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland in ihrer politischen Betätigung eingeschränkt fühlen, und welche Segmente der Zivilgesellschaft besonders betroffen sind.
  • Bewertung der Rechtslage: Auf Basis der aktuellen Rechtslage und Rechtsgutachten wird eine Bewertung vorgenommen, inwiefern es einer Reform des Gemeinnützigkeitsrechts bedarf und welche Chancen und Risiken mit einer Liberalisierung des Gemeinnützigkeitsrechts einhergehen würden.
  • Ableitung von Handlungsempfehlungen: Abschließend werden Empfehlungen gegeben, die die beteiligten Akteure, wie Engagementförderung, Finanzbehörden, Verbände und Organisationen dabei unterstützen können, die bestehende Verunsicherung abzubauen und mehr Sicherheit für den Handlungsspielraum zu schaffen.
Wahrgenommene Gefahren für die Gemeinnützigkeit nach Formen politischer Betätigung (Grafik)
Quelle: ZiviZ-Survey 2023, N = 12.114, gewichtet

Die Autoren und Autorin

Peter Schubert
Senior Projektmanager bei ZiviZ im Stifterverband

Mattheo Ens
Rechtsanwalt im Team "Recht und Steuern" im Deutschen Stiftungszentrum

Birthe Tahmaz
Mitglied der Geschäftsführung von ZiviZ im Stifterverband